Zuletzt aktualisiert am 17. September 2024 um 13:29
Wir kennen das ja: Werbeverbot auf dem Friedhof! „Bei uns ist Werbung auf dem Friedhof verboten!“ Und wir wissen auch, wohin das geführt hat: Logos auf Hemd- und Blusenkrägen, gerne auch mal ein spendiertes Kondolenzpult (mit Logo des spendenden Bestattungsinstitut), peinlich – fast aufdringlich – platzierte Bestattungsfahrzeuge vor dem Friedhof, besser noch vor der Trauerhalle und immer häufiger auch Banner mit Informationen über den aktuellen Sterbefall nebst Logo des ausführenden Bestatters, auffällige Logos auf Schubkarren und Arbeitsjacken, unübersehbare Aufkleber auf Grabsteinen etc. pp.
Und jetzt geh‘ ich auf den Alten Friedhof in Darmstadt und werde als allererstes von einem Halbrund Mustergräber empfangen. Kreatives Steinmetzhandwerk gepaart mit saisonaler Friedhofsgärtnerleistung. Diskret hier und da ein kleines Schildchen, welcher Steinmetz und welches Blumenhaus den für welche Kreation verantwortlich zeichnet.
So gehe ich leicht irritiert weiter auf meinen kleinen Friedhofsspaziergang und wundere mich: Das ist doch Werbung! Ist das nicht verboten?
Und während ich in aller Ruhe so weiter spaziere denke ich: Warum auch nicht?
Die Naturbestattungswälder haben den Friedhöfen in den letzten gut zehn Jahren viel Geschäft weggenommen. Von anonymen Beisetzungen oder gar Ascheverstreuungen reden wir nicht. Diese Friedhofsflucht führte zu Kostensteigerungen (die mancherorts -Explosionen genannt werden dürfen), die es den Friedhofsträgern und allen dort agierenden Gewerken nun wirklich nicht einfach macht.
Ist es in unserer Marktwirtschaft aber nicht selbstverständlich, dass jeder Marktteilnehmer seine Waren und Dienstleistungen präsentieren darf?
Also: Warum Werbeverbot auf dem Friedhof?
Was hat ein Friedhof neben seiner Gesamtheit als Ruhe- und auch Kommunikationszone sowie all den kulturellen Elementen zu bieten? Gräber: Jedes individuell und einzigartig – ein Gedenken, ein Andenken und eine Würdigung der Verstorbenen.
Und wenn ob der Mobilität der Familienmitglieder die Grabpflege in professionelle Hände gegeben werden kann, warum sollen sich diese nicht vor Ort präsentieren? Warum sollen nicht auch Steinmetze und Bestatter vor Ort ihre Prãsenz dokumentieren dürfen? Ich glaube kaum, dass ein seriöser Unternehmer ein aufgehobenes Werbeverbot missbrauchen wird, um mit großen Lettern und Signalfarben mit Schnäppchenangebiten zu werben und den „öffentlichen Raum“ gleich würdigen Ort verschandelt.
Es ist doch im Sinne aller – vielleicht mal mit Ausnahme der Naturbestattungswälder und Seebestatter – wenn unsere Friedhöfe nicht mangels Nachfrage zu machen müssen, oder?
Zuhause angekommen bemühe ich also das Internet und suche in der Friedhofssatzung der Wissenschaftsstadt Darmstadt nach dem oben mehrfach zitierten Werbeverbot. Und, was glaubt ihr? Ich finde es nicht! Vielleicht, weil ich zu blöd bin oder es in der Hausordnung oder sonstwo steht. Oder aber auch, weil es soooo gar nicht da steht. OK, gemäß Satzung ist verboten „Waren aller Art, insbesondere Kränze und Blumen und gewerbliche Dienste, anzubieten“ und „Druckschriften zu verteilen“. Wo kommt das denn her? Hat hier jemand Angst vor fliegenden Hãndlern, wie sie in Kneipen Rosen verkaufen? Wer käme darauf, Steinmetze und Friedhofsgärtner würden „gewerbliche Dienste anbieten“? Ich dachte die machen das nur aus Spaß? Und äh, sind Erinnerungsbilder nicht auch irgendwie „Druckschriften“? Liebe Verwaltungen: Schmeißt das aus Eueren Satzungen raus oder ignoriert das wie Eure Kollegen in Darmstadt!
Oder nutzt den „gewissen Auslegungsspielraum“ und lasst alle Partein an einem Strange ziehen.
Dann ziehe ich den Hut vor jeder Verwaltung, die ein gemeinsames Miteinander der Gewerke für die Zukunft unsere Friedhöfe fördert – oder auch einfach nur zulässt.
Vielleicht taugt diese kleine Ausführung ja auch zur Motivation, an anderem Ort gemeinsam an der Zukunft von Friedhof – und Bestattungskultur – zu arbeiten. Viel Erfolg!