Zuletzt aktualisiert am 18. September 2024 um 11:05
Wir schreiben das Jahr 1989.
Unter einem unserer Schreibtische steht unser erster DTP-taugliche PC, nennt sich IBM-kompatibeler Tower und ist so groß wie die Sorte Koffer, die wir heute auf kurzen Reisen hinter uns her ziehen. Vielleicht hätte man die Sorte damals auch Trolley genannt. Aber die gab’s ja noch nicht.
Mit dem Programm PageMaker können wir erstmalig Seiten gestalten (auch Stempel), sehen auf dem Bildschirm so in etwa dass, was später aus dem Drucker kommt.
In etwa!
WYSIWYG (What you see is what you get – was Du (am Bildschirm) siehst ist was Du (am Ende aus dem Drucker raus) kriegst – ist zwar in aller Munde, aber zu diesem Zeitpunkt eher Wunsch als Realität.
Zum Scannen fahren wir zu Kumpels, die an der Uni Zugang zu solchen Heiligtümern haben. Filme, also die Druckvorlagen für Druckereien und Verlage belichteten Studios in Frankfurt – kein Problem: mit dem Auto eine Sache von bestenfalls 45 Minuten, einfach.
Unsere Filme haben wir meist persönlich mit dem Auftrag zur Druckerei gebracht. Funkboten, wie Kuriere damals genannt wurden, gab es nur in den wirklich großen Städten.
Im Zuge einer solchen Auftragsvergabe fragte uns mal ein Druckereibesitzer, ob wir ihm aus der Klemme helfen könnten. Seine PC-Anlage wäre geschrottet und er bräuchte dringend jemanden, der eine Speisekarte setzen und ihm die Filme liefern würde.
Nun ist die Satzerstellung einer Speisekarte keine wirklich anspruchsvolle Aufgabe. Aber für jemandem mit dem Anspruch, Designer werden zu wollen ist es unter aller Würde. Ein absolutes No-Go!
Weil es aber ein bezahlter Auftrag war und wir damit auch noch einen Lieferanten glücklich machen konnten, nahmen wir die Höchststrafe auf uns.
Und das war gut so!
Denn wenige Monate später – wir hatte den PC ausrangiert und ein Vermögen für einen Mac mit 21″-Bildschirm (Farbe), Scanner und Laserdrucker (schwarz/weiß!) investiert – rief der seinerzeit gerettete Druckerei-Inhaber an und erzählte von einer Firma, der er immer das Briefpapier drucken würde, nun sei aber eine Neugründung in Planung und die bräuchten jetzt ein neues Logo.
Und das wäre doch sichtlich was für uns.
Heute kann natürlich niemand mehr sagen, ob sich die Hilfe unter Geschäftspartnern rentiert hat, ob es Schicksal oder Fügung war oder ob es den lieben Gott gibt und was gewesen wäre, wenn wir die Speisekarte nicht gemacht hätten.
Ich für meinen Teil denke immer wieder schmunzelnd zurück. Schließlich hat diese kleine Geschichte dazu beigetragen, dass wir trotz oder wegen einer Höchststrafe für Kreative zum einem Kunden kamen, der wenige Jahre später zu einem der größten Nutzfahrzeugvermieter Deutschlands gehörte und auch zu einer großen Nummer im Truck-Racing wurde.
Und es ist schon echt lässig, wenn man spätestens nach einer halben Stunde Autobahnfahrt einen riesigen Truck mit dem „eigenen“ Logo sieht.