Zuletzt aktualisiert am 18. September 2024 um 11:05
Mein erster Beitrag endet mit der Beschreibung eines leichten Gruselns, hervorgerufen von der Gestaltung einer Visitenkarte gepaart mit der Erkenntnis der Branchenherkunft meines Gegenübers – der Mann ist Bestatter.
Seit dem habe ich viele Visitenkarten von Bestattern gesehen! Viel grau und lila, marmorierte Hintergründe, manchmal auch in Doppelfunktionen als Aufkleber, oder mit Kalender, immer wieder gern kombiniert mit einem Kreuz oder besser, gleich mehreren. Gotische Kirchenfenster in verschiedenen Formen – eine Version sogar als geschütztes Markenzeichen; aber das lernte ich erste später 😉

Collage mit Visitenkarten von Bestattungsinstituten: Es dominieren grau und lila auch mit gold und Marmoreffekte.
Über Geschmack sollte man bekanntlich nicht streiten. Und wegen – sagen wir mal – eigentümlicher Gestaltung ist noch keinem Bestatter der Angehörige wieder aus dem Laden gelaufen, oder? Und über Jahrzehnte war diese Gestaltung ja schon fast zum Branchenstil geworden.
Trotzdem ist ein Logo – wie auch alle anderen gestaltete Werbemittel – Ausdruck eines Selbstverständnisses; sowohl für den Einzelnen in Bezug auf sein Unternehmen aber auch in der Gruppe seiner Kollegen als Wahrnehmung einer Branche. Niemand bekommt eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen! Die Bestattungsbranche sah für mich so aus, als ob sie von fähigen Gestaltern nicht wirklich entdeckt worden wäre – also: An die Arbeit!
Das Gruseln habe ich also recht schnell abgelegt. Obwohl – ein großes (erst im Nachhinein richtig gruselig eingeordnetes) Erlebnis war dann die Frage eines Bestatters, der merklich am Überlegen war, mit uns zusammenzuarbeiten: “Können Sie auch eingeschweißte Visitenkarten?” Ja, können wir. Aber das sagte ich ihm nicht.
Wenn man sich um das Marketing seiner Kunden kümmert, macht man natürlich viele branchenspezifische Erfahrungen und sammelt Unmengen neuer Erkenntnisse. Die sind dann hier und da auch mal recht ungewöhnlich. Und in jeder Branche gibt es Spaßvögel die mal ausreizen, wieviel denn so ein Marketingfuzzi ab kann. Zugegeben, bei einem Besattter oder in einem Krematorium haben es die spaßigen Gesellen nicht schwer, einen Branchenfremden zu beeindrucken. Aber so ist dass nun mal mit Erfahrungen: Nur richtig Neues ist wirklich fremd. Aber schwups, ist es auch schon nicht mehr neu und dann auch gar nicht mehr so…
Jetzt möchte ich mal eine Lanze für Bestatter brechen: Ich habe schon für viele Branchen gearbeitet und dabei sehr viele Menschen kennengelernt. In kaum einer Branche habe ich so viele freundliche, nette, wohlerzogene und „gerade” Typen kennengelernt.
Und die Arbeit für Familienunterehmen hat für mich auch eine ganz besondere Qualität: Meist arbeiten wir direkt mit den Inhabern zusammen. Das bedeutet: keine Budgets, die zum Jahresende verballert werden müssen bevor sie gekürzt werden, sondern immer direkt ans Portemonnaie des Chefs. Und der kauft nix, was er nicht versteht oder mag. Ganz einfach!
Im Gegenzug wird da noch gern Wort gehalten, so wie früher der Handschlag auf dem Pferdemarkt. Wenn man in Generationen denkt, den Bisherigen verpflichtet ist und den Folgenden eine gute Zukunft bereiten will, gibt‘s auch keine Diskussionen um kurzfristige Quartalserfolge, Börsenkurse oder „den schnellen Euro“. Nachhaltigkeit ist der treffende Begriff, auch wenn er in den letzten Jahren wohl arg überstrapaziert wurde.
Das Grundverständnis basiert auf „anständiger Arbeit“. Traditionell verwurzelte Bestattungsunternehmen können nicht mal eben den Ort wechseln, von Dorf zu Dorf ziehen und verbrannte Erde hinterlassen. Das prägt. Vielleicht kann man sie am besten mit Winzern vergleichen, die über Generationen hinweg auf dem gleichen Fleckchen Erde Ihrer Tätigkeit nachgehen. – Auch am Ende siegt die Qualität.